Willkommen zum neuen Lettre de la République! Auch wenn ein wahrhaftiger Republikaner den heutigen Heiligen Abend nicht feiern wird, weil er diesen für eine abscheuliche Kulthandlung religiöser Fanatiker hält - letztlich kann sich wohl niemand dem Reiz dieses Tages entziehen. Und so geht es in der Winter-Ausgabe des Newsletters von republique.de um Weihnachten vor 215 Jahren.
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Goethe kam im Jahr 1793 auf die Idee, seinem gerade 4-jährigen Sohn zu Weihnachten eine Spielzeugguillotine zu schenken. Da eine solche in seiner Heimatstadt Weimar nicht zu haben war, beauftragte er seine Mutter in Frankfurt damit, das grausige Spielzeug zu besorgen. Diese wies den Wunsch empört ab und schrieb dem berühmten Dichter: "Alles was ich dir zu gefallen thun kan, geschieht gern und macht mir selbst Freude - aber eine solche infame Mord'maschine zu kaufen - das thue ich um keinen preiß!" Ob es Goethe gelang, auf einem anderen Weg an das begehrte Präsent zu gelangen, ist nicht überliefert.


In Preußen heirateten am Heiligen Abend des Jahres 1793 Luise von Mecklenburg-Strelitz und der Thronfolger Friedrich Wilhelm, der sich als späterer Preußenkönig unter anderem mit dem Direktorium und Napoleon herumschlagen musste. Luise war eine wahre Schönheit, und ihre klassizistisch-schlichte Eleganz - weiße Musselinkleider mit Empire-Taille - wirkte ähnlich stilprägend auf die Berliner Mode wie das Auftreten Thérésa Cabarrus' im Paris des Directoire - freilich ein wenig zurückhaltender. Als absolutistisch-aufgeklärte Königin eines mit Frankreich verfeindeten Landes war sie eine große Verehrerin Schillers, der seinerseits ein Ehrenbürger der Französischen Republik war.
Im weihnachtlichen Paris des Jahres II der Republik ging es weniger feierlich zu. Robespierre, der zu dieser Zeit schon als ideologischer Anführer der Schreckensherrschaft galt, hielt am 25. Dezember (5. Nivôse) vor dem Konvent eine bedeutende Rede über politische Grundsätze, die natürlich auch bis Berlin drang. In dieser Rede machte er den berühmten Ausspruch: "Die revolutionäre Regierung schuldet allen guten Bürgern den ganzen Schutz der Nation, den Feinden des Volkes schuldet sie den Tod!" Robespierre hatte nur noch ein paar Monate zu leben, Luise starb 1810, Friedrich Wilhelm 1840.


· Jahrestage im Winter CCXVII ·

Vor 215 Jahren:
8. Nivôse II: Gesetz zur Erleichterung der Ehescheidung
9. Pluviôse II: La Rochejaquelein fällt in Nouaillé
22. Pluviôse II: Selbstmord Jacques Roux'
8. Ventôse II: Selbstmord Condorcets
13. Ventôse II: Verabschiedung der Ventôsedekrete

Am Heiligabend des Jahres 1800 explodierte in Paris eine so genannte "Höllenmaschine" und riss etliche Menschen mit in den Tod. Napoleon, eigentliches Ziel des Attentats, überlebte durch einen glücklichen Zufall. Der damalige Erste Konsul der Republik machte die Jakobiner für den Anschlag verantwortlich. Ein Minister Napoleons bezweifelte diese Version und widersprach seinem Chef heftig. Nach akribischer kriminalistischer Tätigkeit entlarvte er die wahren Übeltäter: Royalisten, Anhänger Ludwigs des Achtzehnten. Damit wurde Bonaparte, der schon mehrere voreilige Deportationen und Hinrichtungen erlassen hatte, einigermaßen brüskiert. Wer dieser Minister war, dessen Geburtstag sich im Frühling zum 250. Mal jährt, wird im Germinal-Newsletter nachzulesen sein (März/April 2009).

 
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© Jan Knupper CCXVII (2008)