Nach dem Revolutionskalender beginnen heute die Sommermonate, und somit gibt es auch einen neuen Lettre de la République, zu dem ich alle 12 Abonnenten herzlich willkommen heiße. Aus aktuellem Anlass (siehe unten) widmet sich der Newsletter diesmal den republikanischen Festen der Französischen Revolution.
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Am 10. August 1793, einem sonnigen und schönen Tag, fand das erste große republikanische Fest zur Feier des Sturms auf die Tuilerien statt. Ausgangspunkt des Festzugs war der Platz der Bastille, sein Beginn fiel 'mit dem Aufgang des Tagesgestirns symbolisch zusammen', wie David es anordnete. Der Zug ging zum Revolutionsplatz, wo einige Monate vorher der Ex-König geköpft wurde. Vor der Statue der Freiheit wurde ein Scheiterhaufen mit Symbolen des Königtums angezündet, und dreitausend Vögel wurden freigelassen. Zum Abschluss wurde das Volk mit Fleisch, Brot und Wein bewirtet. Ein schöner, friedlicher Tag klang aus, der die Schrecken der kommenden Zeit kaum erahnen ließ.


Das Fest der Vernunft am 20. Brumaire II hatte einen unverkennbar volkstümlichen und anarchischen Charakter. Es wurde von der Commune von Paris organisiert und in der Kirche Notre Dame abgehalten - ein offener Affront gegen den Katholizismus. Ein 'heiliger Berg' wurde aufgeschüttet mit der Aufschrift 'A la Philosophie'. An einem Altar brannte die Flamme der Vernunft, vor der weiß gekleidete Mädchen eine Prozession abhielten. Eine hübsche Schauspielerin verkörperte die Freiheit, die sich auf einem mit Laub geschmückten Thron niederließ. Insgesamt war dieses Fest in erster Linie antireligiös. Dem Volk sollte vornehmlich die lebendige Verbildlichung abstrakter Begriffe vorgestellt werden.
Am 20. Prairial II fand das größte und wohl berühmteste aller republikanischen Feste statt: das Fest des Höchsten Wesens. Es stand ganz im Gegensatz zum atheistischen Geist des Spektakels vom 20. Brumaire. Eine neue Gottheit - das Höchste Wesen - sollte dem Volk als Staatsreligion schmackhaft gemacht werden. Initiiert von Robespierre und choreografiert von David, versammelten sich an diesem schönen Frühlingstag Tausende auf dem Marsfeld. Wieder spielte ein Feuer die Hauptrolle. Jedoch erschien die Statue der neuen Gottheit reichlich rußgeschwärzt aus den Flammen. Gehässige Zwischenrufe ließen Robespierre spüren, dass nicht jeder mit seinem neuen Kult einverstanden war. Nur zwei Tage später ließ Robespierre das Schreckensgesetz vom 22. Prairial beschließen.


Jacques-Louis David (links) war auch in der Folgezeit für das Direktorium und Napoleon tätig. Die republikanischen Feste verloren jedoch ihren revolutionären Charakter und wurden zu Staatsfesten. Das Militär, auf das sich das Direktorium stützte, rückte auch an Festtagen in den Mittelpunkt. Zum Beispiel diente das Fest der Freiheit am 9. Thermidor VI in erster Linie dem Zurschaustellen von Schätzen, die Napoleon auf seinem Italien-Feldzug erbeutet hatte. Wertvolle Archivalien, klassische Kunstwerke der Antike und Renaissance wurden durch Paris gefahren - flankiert von Militärverbänden. Und auf der Feier des 1. Vendémiaire VII zum Jahrestag der Republikgründung überreichten die Direktoren verwundeten Soldaten Lorbeerkränze.


Das laufende Jahr 215 ist ein Schaltjahr mit einem abschließenden sechsten Ergänzungstag: dem Tag der Revolution (22. September 2007). Systematisch entspricht dieser Tag dem 29. Februar des Tyrannenkalenders, den es ebenfalls nur alle vier Jahre gibt.
Dieses republikanische Jahr wird auch an republique.de nicht spurlos vorübergehen: Die Site wird in einem neuen Outfit (aber im gewohnten Stil) erscheinen. Vor allem die Navigation wird verbessert, und auch das Forum wird wieder eröffnet.
Wann die neue Version erscheinen wird, steht noch nicht fest. Es wird jedenfalls noch im Jahr 215 passieren. Wer zum Start der neuen Site informiert werden will, klicke bitte hier.

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Bis zum nächsten Lettre de la République
im Vendémiaire 216
wünsche ich einen schönen Sommer!
····· Salut et Fraternité! ·····

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© Jan Knupper CCXV (2007)