Willkommen zur Frühlingsausgabe des Lettre de la République, dem neuen Newsletter von republique.de, der von nun an jeweils zum Beginn der Jahreszeiten nach dem Revolutionskalender erscheinen wird, also am 1. Messidor, 1. Vendémiaire, 1. Nivôse und - wie heute - am 1. Germinal.

Vor 211 Jahren - ebenfalls im Germinal - entschied sich in Frankreich der Kampf zwischen drei Gruppen, die sich in der 'Ventôse-Krise' (Soboul) herauskristallisiert hatten: Die Gruppe der Ultra-Revolutionäre um Hébert, die gemäßigten 'Indulgents' um Danton, und der zwischen den Extremen lavierende Wohlfahrtsausschuss. Letzterer hielt den Terror für den Kampf der jungen Republik gegen ihre Feinde für weiterhin notwendig, und in der Wirtschaftspolitik verfolgte er eine Strategie der gemäßigten Reglementierung.

Das Programm des Journalisten Héberts bestand darin, kein Programm zu haben, sondern lediglich zum Kampf gegen Spekulanten und Reiche aufzurufen, die er verantwortlich machte für die wirtschaftliche Not der Pariser. Hébert und seine Cordeliers riefen tatsächlich zum Aufstand gegen die Regierung und den Konvent auf. Der Wohlfahrtsausschuss konnte den Radikalen mit den Ventôse-Dekreten, die eine Verteilung der Güter der verhafteten Revolutionsfeinde unter den Bedürftigen vorsahen, die übrigen Eigentumsverhältnisse aber unangetastet ließen, sehr viel Wind aus den Segeln nehmen. Als Hébert und Genossen schließlich am 4. Germinal II (24. März 1794) guillotiniert wurden, hatten sie ihre Unterstützung im Pariser Volk bereits weitgehend verloren.

Danton kam als Nächstes an die Reihe. Er und seine Gruppe der 'Indulgents' forderten eine Beendigung des Terrors, die Rückkehr zur Pressefreiheit und ein Stopp des Eingreifens der Politik in sämtliche Lebensverhältnisse. Der Wohlfahrts- und Sicherheitsausschuss ließen ihn verhaften, aber schon am nächsten Tag regte sich Widerstand im Konvent. Robespierre gelang es, die Parlamentarier von der Notwendigkeit zu überzeugen, hart zu sein. Dem Revolutionstribunal gelang es Danton jedoch erst schuldig zu sprechen, als auf Grund eines Ausnahmegesetzes den Angeklagten die weitere Teilnahme an den Verhandlungen verweigert werden konnte. Am 16. Germinal II (5. April 1794) wurden Danton, Desmoulins und andere hingerichtet.

Nun stand der Wohlfahrtsausschuss, in dem Robespierre eine beherrschende Stellung einnahm, vermeintlich ohne Opposition da. Aber die Revolution war jetzt, wie es Saint-Just auf den Punkt brachte, 'erfroren'. Die Revolutionäre hatten ihre Posten, die anarchische Zeit der Sansculotten-Herrschaft des Jahres 1793 war vorbei. Die Revolution hatte zwar eine starke Exekutive, aber der Rückhalt im Volk war verloren.
In dem Film 'Danton' von 1982 fragt Eleonore Duplay ihren geliebten Robespierre, warum er so verzagt sei. Er antwortet: 'Wenn wir den Prozess gegen Danton verlieren, ist die Revolution verloren. Wenn wir ihn gewinnen, ist es das Gleiche.'
Robespierre behielt bekanntlich - wie so oft - Recht.

Jahrestage im Frühling CCXIII
Vor 220 Jahren:
23. April 1785: Geburt von Louis Charles (Louis XVII)
Vor 215 Jahren:
18. Mai 1790: Offiziere werden zum Tragen der Kokarde verpflichtet
Vor 210 Jahren:
18. Floréal III (7. Mai 1795): Hinrichtung Fouquier-Thinvilles
1. Prairial III (20. Mai 1795): Prairial-Aufstand
12. Prairial III (31. Mai 1795): Abschaffung des Revolutionstribunals
20. Prairial III (8. Juni 1795): Tod Louis' XVII
29. Prairial III (17. Juni 1795): Selbstmord Gilbert Rommes

Der nächste Lettre de la République erscheint am 1. Messidor CCXIII.
Bis dahin einen schönen Frühling und
Salut et Fraternité!
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© Jan Knupper 2005