Sein Name stand am Anfang und am Ende der Revolution. Dazwischen hörte man nicht viel von ihm. Seine Schrift Was ist der Dritte Stand? brachte die Stimmung in der bürgerlichen Gesellschaft des ausgehenden 18. Jahrhunderts auf den Punkt, und er war maßgeblich an der Ausarbeitung der ersten Verfassung Frankreichs, die eine konstitutionelle Monarchie einführte, beteiligt. Während der Schreckensherrschaft verstand er es, nicht auf sich aufmerksam zu machen. So entkam der liberal eingestellte Ex-Priester der Guillotine. Mit Napoleon zusammen versetzte er der Republik den Todesstoß.
Was ist der Dritte Stand? Alles. Was ist er bis jetzt in der staatlichen Ordnung gewesen? Nichts. Was verlangt er? Etwas darin zu werden.
Sièyes in seiner Broschüre Was ist der Dritte Stand?
, Anfang 1789
Ich habe überlebt.
Sièyes auf die Frage, was er während der Schreckensherrschaft gemacht habe
Bürger, die Revolution hält an den Grundsätzen fest, die an ihrem Anfang standen. Sie ist beendet.
Erklärung des provisorischen Konsulats (Napoleon, Roger Ducos, Sieyès) vom 15. Dezember 1799 (24. Frimaire VIII)
Als er jedoch auf der Rednertribüne erschien, war die Enttäuschung allgemein. Vom heftigen Ton seines Pamphlets war in den Reden nichts zu spüren.
Peter Fischer: Reden der Französischen Revolution, S. 21 (zu den Auftritten Sièyes' in den Generalständen bzw. der Nationalversammlung)
Sein Stillschweigen ist gedankenschwer, und spricht er, so gibt er Orakel von sich. Seit dem Tod von Condorcet hatte die Republik keinen Philosopen mehr. Sieyès übernimmt dieses Amt; er ist geheimnisvoll, tief und unverständlich; alle Parteien berufen sich auf ihn und auf die Verfassung, die er im Kopf hat.
Pierre Gaxotte: Die Französische Revolution, S. 402 (über Sièyes' Bedeutung in der Endphase des Direktoriums)
Er verachtet zwar das Volk, aber seine eigentliche Leidenschaft ist der Hass auf die Aristokratie.
François Furet: Die Französische Revolution, S. 634