Die Französische Revolution | Gesetz vom 22. Prairial
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Gesetz vom 22. Prairial


Das Gesetz des Schreckens


Gesetz vom 22. PrairialMit diesem Gesetz sollten schlicht und ergreifend die völlig über­füllten Gefäng­nisse geleert werden – mit Hilfe der Guillotine. Das Gesetz schaffte unter anderem die Verteidigung ab und ließ moralische Beweise ausreichen, um schnelle Urteile über Menschen­leben fällen zu können. Die Richter und Geschworenen hatten nur die Wahl zwischen Freispruch oder Tod. Alle prozess­rechtlichen Vorschriften, die eine Verurteilung verhindern oder sogar nur verzögern konnten, wurden mit diesem Gesetz abgeschafft. Die Angeklagten waren praktisch rechtlos. Wer am Vormittag verurteilt wurde, wurde noch am selben Tag guillotiniert. Nachmittags Verurteilte mussten sich noch eine Nacht gedulden, bis der Tod sie von der Angst vor dem Sterben erlöste. Täglich fanden in Paris jetzt öffentliche Hinrichtungen statt, die Schübe der Verurteilten wurden immer größer. Der Große Terror hatte begonnen.


Zitate

Es handelt sich weniger darum, zu bestrafen, als zu vernichten.
Couthon über das Prairialgesetz

Wenn dieses Gesetz durchgeht, schieße ich mir eine Kugel durch den Kopf!
Der Abgeordnete Ruamps in der Debatte um das Prairialgesetz

Das Gesetz gibt den verleumdeten Patrioten patriotisch gesinnte Geschworene als Verteidiger bei; die Verschwörer erhalten keine Verteidiger.
Artikel 16 des Gesetzes vom 22. Prairial II

Die Strafe für alle Delikte, deren Aburteilung dem Revolutionstribunal vorbehalten ist, ist der Tod.
Artikel 7 des Gesetzes vom 22. Prairial

Während mindestens sechs Wochen habe ich gesehen, wie man in diesem Tribunal öffentlich mordete. Wenn man den Beweis dafür haben will, braucht man den Geschworenen nur die Kanzlei, wo die Prozessakten aufbewahrt werden, als Beratungszimmer zu geben. Einer von ihnen soll mit verbundenen Augen den ersten Aktendeckel nehmen, der ihm unter die Hände gerät, er wird darin die Urteile über vierzig, fünfzig Personen finden, die nach einer halbstündigen Verhandlung in den Tod geschickt worden sind; man hätte mehr Zeit gebraucht, um nur die Personalien der Angeklagten zu lesen. Mehrere Tage wären nötig gewesen, um die Schriftsätze kennenzulernen.
Aussage eines Gerichtssekretärs in dem Prozess gegen Fouquier-Tinville über die Praxis der Gerichtsverhandlungen während der Geltungszeit des Prairial-Gesetzes


Fundstellen

Fouquier, der pflichttreue Bürokrat, der eine Marienmedaille unter dem Hemd auf der Brust trägt, donnert die Geschworenen an: Ich werde euch auf Trab bringen, ich brauche zweihundert bis zweihundertfünfzig die Woche! Und er bekommt sie.
Friedrich Sieburg: Robespierre, S. 281

Couthon machte kein Geheimnis daraus, dass das vorgeschlagene Gesetz weniger eine Rechtssatzung als ein Ausrottungsgesetz war.
Albert Mathiez: Die Französische Revolution II, S. 649

An allen Tagen, ausgenommen am Decadi, ist die Guillotine unaufhörlich in Tätigkeit. Der tägliche Durchschnitt der Hinrichtungen beläuft sich auf 31. Sein schwindelerregendes Anwachsen ist zweifellos dem Gesetz vom 22. Prairial zuzuschreiben.
Octave Aubry: Die Französische Revolution II, S. 230 f.

Der alte Loizerolles kann sich nur deshalb für seinen Sohn opfern, weil niemand mehr hinhört, wenn ein Schriftsatz verlesen oder eine Antwort gegeben wird. Auf die Frage, ob er François Simon Loizerolles, Alter zweiundzwanzig Jahre sei, antwortet der weißhaarige Greis Ja, ohne dass jemand dies auffallend findet.
Friedrich Sieburg: Robespierre, S. 281

Auch auf Trinchard und die beiden Maler Châtelet und Prieur ist unbedingt Verlass, selbstverständlich auch auf Leroy, der sogar als der ideale Geschworene dieses Gerichts gelten darf, denn er ist taub.
Friedrich Sieburg: Robespierre, S. 276 (über die Geschworenen am Revolutionstribunal)

Der Allgemeine Sicherheits­ausschuss, der zu dem Prairaialgesetz nicht angehört worden war und in dem außerdem viele Anhänger des von Robespierre verfolgten Club der Cordeliers sitzen, soll dieses Gesetz bewusst verfälscht haben, indem er die Angeklagten scharenweise zu völlig heterogenen Gruppen zusammenfasste – einzig und allein in der Absicht, Robespierre als einen Diktator hinzustellen, der die Menschen nach seinem Belieben auf die Guillotine schickte.
Jean-Paul Bertaud: Alltagsleben während der Französischen Revolution, S. 247


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