Vor der Revolution führte der Vicomte de Barras ein mondänes Leben. Mit dem Sturz des Königs wandelte er sich zum Radikalen und führte als Konventsabgeordneter in Toulon ein Schreckensregiment, das sein ohnehin schon großes Vermögen aufstocken half. Vom Wohlfahrtsausschuss zurückberufen, musste sich Barras täglich vor einer Anklage fürchten. Dieser konnte er nur entgehen, indem er sich am Sturz Robespierres beteiligte, und zwar an vorderster Stelle. Sein rücksichtsloses Durchgreifen am 9. Thermidor bewirkte einen traumhaften Sprung für seine politische Karriere. Kurze Zeit später in das Direktorium gewählt, hielt er in dieser von fünf Männern besetzten Quasi-Diktatur von Anfang bis Ende die Stellung, so dass er schon als König der Republik
bezeichnet wurde. Zwischen 1795 und 1799 war er einer der mächtigsten Männer Frankreichs. Als er merkte, dass die revolutionäre Zeit zuende ging, erinnerte er sich an seine Käuflichkeit und ließ sich den Verzicht auf seinen Sitz in der Regierung von Napoleon sehr gut bezahlen. Den Rest seines Lebens widmete er dem Geldausgeben.
Die Freiheit hat sich vielleicht noch mehr über die Sklaven zu beklagen als über die Tyrannen. Aber der Unterschied ist fein, denn der Grund des Charakters ist bei beiden Arten von Persönlichkeiten derselbe: Nur die Stellung macht einen Unterschied.
Paul Barras
Barras hatte nur einen Grundsatz, nämlich den, keine Grundsätze zu haben.
François-Auguste Mignet, französischer Historiker (1796-1884)
Seine Ambitionen, sein Reichtum, seine Vergnügungen decken sich mit den Interessen vieler tausend Mitbürger, die von der Revolution auf einen Platz an der Sonne geschwemmt worden sind, aber er, der korrumpierte Genießer, nutzt die Stunde mit mehr Energie und Intelligenz als alle anderen.
François Furet: Die Französische Revolution, S. 425
Dieser Staatsstreich vom Fructidor ist das Musterbeispiel für einen gemeinsamen Putsch von Politikern und Militärs. Deutlich erkennt man die Handschrift von Barras.
François Furet: Die Französische Revolution, S. 450
Talleyrand übernahm es, Barras auseinanderzusetzen, dass seine Gegenwart überflüssig sei. Barras liebte das Geld, und Talleyrand war sehr überzeugend.
Pierre Gaxotte: Die Französische Revolution, S. 413 (zum Verhalten Barras' am Tag des Putsches Napoleons)
Wir sehen in ihm den Mann, der den einen Tyrannen, Robespierre, stürzt, um dann leider wenige Jahre später einem anderen, Napoleon Bonaparte, in den Sattel zu helfen. Das ist das Fazit seines politischen Lebens. An diesem inneren Widerspruch und überhaupt an der Gegensätzlichkeit seines Wesens ist er letztlich gescheitert. Nie hat er selbst es sich verzeihen können, dass er die Freiheit, die er über die alte Standarte der Barras quer hinübergeschrieben hatte, durch die Inthronisierung eines Napoleon und durch sein Paktieren mit ihm am 18. Brumaire eigenhändig verraten hat.
Arnold Steiniger: Ein Lebemann als Staatsmann, S. 257
Barras […] gehört zu den Personen, welche weniger durch außerordentliche Geistesgaben, als durch entschiedenes Handeln mit umsichtiger Benutzung der Verhältnisse, einen wichtigen Einfluß auf die franz. Revolution ausübten.
F.A. Brockhaus: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, S. 185 (Lexikon von 1837)