Primidi, 1er Messidor
An CCXIX
Sonntag, 19. Juni 2011

Herzlich willkommen zum letzten Lettre de la République in diesem Jahrzehnt (den "10er Jahren" des 3. Jahrhunderts nach dem Revolutionskalender). Der gerade vergangene Frühling des Jahres 219 war für alle Freunde der Französischen Revolution eine sehr spannende Jahreszeit. Maximilien Robespierre schaffte es nach langer Zeit mal wieder in die Schlagzeilen der französischen Medien. Es ging um einige seiner Schriften, die bei Sotheby's - dem berühmtesten Versteigerungshaus der Welt - unter den Hammer kommen sollten.
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Und zwar handelte es sich um Aufzeichnungen Robespierres aus dem Besitz der Nachfahren von Philippe Lebas. Letzterer war bekannterweise der Einzige, der es von den am 9. Thermidor für vogelfrei erklärten Freunden des Unbestechlichen schaffte, sich vor der Verhaftung das Leben zu nehmen. Auch einige Briefe von ihm standen zusammen mit den Papieren Robespierres zur Versteigerung. Robespierres Schriften enthielten unter anderem Entwürfe für seine letzte Rede am 8. Thermidor. Es handelte sich also um historisch hochinteressante Dokumente. Der Verkaufspreis wurde von Sotheby's dann auch auf 200.000 bis 300.000 Euro geschätzt.


Doch als die Auktion losging, wurde dieser Bereich schon sehr schnell überschritten. Es gab einige Mitbieter, die wie versessen darauf waren, diese Dokumente zu bekommen. Ein weiterer Grund für das schnelle Anwachsen der Gebote war das Vorkaufsrecht des französischen Staates bei historisch relevanten Gegenständen. Die Bieter spekulierten darauf, dass ein sehr hoher Preis die Ausübung dieses Rechts verhindern könnte. Zum Schluss fiel der Hammer bei 900.750 Euro! Und trotzdem: Das Vorkaufsrecht wurde geltend gemacht. Jetzt ging es darum, ob der Staat dieses Recht innerhalb einer festgesetzten Frist tatsächlich ausüben, das heißt zahlen würde.
Die Sache wurde politisch: Fast eine Million Euro Steuergelder für die Aufzeichnungen eines höchst umstrittenen Revolutionärs? Es folgte eine aufsehen­erregende Einmischung der Intellektuellen, die Mobilisierung der Linken (eine Tageszeitung titelte "Retten Kommunisten Robespierre?") und insbesondere ein Spendenaufruf der Société des études robespierristes. Über 100.000 Euro brachte dieser ein, so dass die Regierung schließlich nicht mehr Nein sagen konnte: Das Geld wurde gezahlt. Die Papiere sind somit wieder im Besitz des französischen Volkes - ein später republikanischer Sieg für den Unbestechlichen und seinen treuen Freund Philippe Lebas.



Hier noch ein Link zu einer französischen Seite, unter anderem mit einem Fernsehinterview mit Max Gallo über die Angelegenheit. Max Gallo ist der wohl berühmteste lebende Revolutions­historiker. Er hat eine hervorragende Robespierre-Biografie geschrieben, die mittlerweile ein Klassiker ist. Eine weitere Seite mit mehr Informationen zur Auktion und den Hintergründen in englischer Sprache gibt es hier.

... Das war's also für dieses Jahrzehnt. Ich weiß, viel tut sich im Moment wirklich nicht auf der Seite - es fehlt einfach die Zeit. Hoffen wir auf mehr Aktivitäten in den in 95 Tagen anbrechenden 20er Jahren dieses zweifellos revolutionären Jahrhunderts!

 
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wünsche ich einen angenehmen Sommer!

····· Salut et Fraternité! ·····
© Jan Knupper CCXIX (2011)