Gestern, am 1. Vendémiaire, begann das neue republikanische Jahr 217 - aus diesem Anlass begrüße ich alle Abonnenten des Newsletters ganz besonders herzlich und wünsche alles Gute für das neue Jahr!
Am 22. September des Jahres 1792 wurde erstmals ein offizielles Dokument mit dem Zusatz 'im ersten Jahr der französischen Republik' versehen, und Gilbert Romme nahm dieses Datum zum Ausgangspunkt für seinen Republikanischen Kalender. Um diesen Kalender geht es diesmal im Lettre de la République.
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Im revolutionären Rausch des Jahres 1793 war es zu einer Manie geworden, sämtliche Lebensbereiche im Sinne der neuen Ideen zu ändern und alles Alte abzuschaffen. Auch das traditionelle System der Jahreseinteilung, der Gregorianische Kalender, musste dran glauben. Gilbert Romme und Fabre d'Eglantine schufen eine neue Zeitrechnung, deren Anwendung vom Konvent im Oktober 1793 angeordnet wurde. Alle Franzosen sollten sich nun nach einem modernen Kalender richten, in dem die Tage nach ihrer Zahl im Monat (Primidi, Duodi, Tridi usw.), die Monate nach Phänomenen der jeweiligen Jahreszeit (z.B. Thermidor = Hitze) und die Jahre nach der Zeit bemessen wurden, die seit der Republikgründung vergangen war.

Frimaire

Germinal
Der neue Kalender war nur zwölf Jahre im Gebrauch. Er hatte zwei Hochphasen: In der Zeit des Terrors bis zum Sturz Robespierres war seine Anwendung selbstverständlich Pflicht. In der reaktionären Thermidor-Zeit geriet er - wie alles allzu Revolutionäre - kurze Zeit in Verruf, aber nach dem Staatsstreich des Direktoriums vom 18. Fructidor V wurden einige Gesetze erlassen, die der republikanischen Zeitrechnung erneut auf die Sprünge helfen sollten. Die Befolgung des Revolutionskalenders wurde teilweise mit Polizeigewalt durchgesetzt. So wurde in der Provinz z.B. auf Bauern geschossen, die es wagten, während des offiziellen Ruhetags - dem Décadi - auf den Feldern zu arbeiten.
Das Konsulat hielt zunächst an der Anwendung der neuen Zeitrechnung fest, aber spätestens mit der Kaiserkrönung Napoleons wurde der Revolutionskalender unhaltbar. Er war zwar inzwischen in 'calendrier francais' umbenannt worden, aber der Makel des Jahresanfangs - die Republikgründung - blieb, und man suchte nach Gründen, ihn abzuschaffen, ohne seine Vorteile gegenüber der alten Zeitrechnung zu verleugnen. Am 22. Fructidor XIII beschloss der Senat die Rückkehr zum Gregorianischen Kalender - aber man gab der Hoffnung Ausdruck, dass die Grundzüge der von Gilbert Romme gefundenen Zeitrechnung in Zukunft in einem europäischen Kalender wieder aufleben würden.

Messidor

Nivôse
Man hat den Eindruck, dass der Republikanische Kalender insgesamt auf wenig Liebe gestoßen ist. Wer ihn nicht gerade von Herzen ablehnte (wie die Royalisten), hielt die Neuregelungen für überflüssigen und lästigen Revolutionstand. Einigen diente er als Feigenblatt, um republikanische Gesinnung zur Schau zu stellen. Nur ein paar romantische Idealisten hingen an ihm. Ich weiß nicht, wie viele Menschen am Abend des 31. Dezember 1805, als das letzte Stündlein des Calendrier Républicain schlug, eine Träne vergossen haben. Die meisten haben es wohl noch nicht einmal bemerkt, dass an diesem Tag eine faszinierende und schöne Art der Zeitrechnung zu Grabe getragen wurde.

Hier noch einige interessante Links zum Thema:

republique.de - das aktuelle Datum auf der Eingangsseite
republique.de - Online-Umrechnung der Daten
republique.de - kleine Einführung
Wikipedia - sehr umfangreich
Kalender des Jahres II im Original
Das Kalendergesetz vom 5. Oktober 1793 im Original
Astronomische Grundlagen des Revolutionskalenders (PDF)
Salut et Fraternité - das Umrechnungsprogramm (Freeware!)

Brumaire

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18. Brumaire II: Hinrichtung Madame Rolands
22. Brumaire II: Hinrichtung Jean-Sylvain Baillys
(erster Pariser Bürgermeister)
22. Frimaire II: Hinrichtung Madame Dubarrys

Maike Manske, die auch für republique.de schon einige Beiträge geschrieben hat, hat jetzt ihr erstes Buch herausgegeben. Möglichkeiten und Grenzen des Kulturtransfers beschreibt die Geschichte der Emigranten der Französischen Revolution in den norddeutschen Städten Lübeck, Hamburg und Bremen. Inwieweit fand ein Kulturaustausch statt? Welchen Einfluss nahmen die Flüchtlinge auf die Kultur der Hansestädte? Waren die Emigranten wirklich in den Augen der meisten Einheimischen 'raubsüchtige Faultiere', die sich ausschließlich dem Müßiggang hingaben? Ein interessant und mitreißend geschriebenes Buch, das nicht nur für Historiker interessant sein dürfte.

 
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© Jan Knupper CCXVII (2008)