Wohlfahrtsausschuss
- Die faktische Regierung in Frankreich 1793 bis 1794
- Wichtigste Mitglieder: Robespierre, Saint-Just, Couthon, Billaud-Varenne, Collot d'Herbois, Carnot, Barère
Die revolutionäre Regierung
Übermüdete Männer, die zusammen an einem Tisch sitzen, nachts, nur schwach vom Kerzenschein erleuchtet, jeder über seinen Papieren gebeugt, wenn sie nicht gerade laut miteinander streiten und erst nach Stunden erregter Diskussion einen Beschluss fassen, der das Schicksal vieler Menschen besiegelt: So kann man sich das Szenario in diesem unheimlichen, mächtigen Ausschuss vorstellen, der von 1793 bis 1794, in der Hochphase der Schreckensherrschaft, zusammen mit dem Sicherheitsausschuss die faktische Regierung Frankreichs war. Zwölf Konventsabgeordnete gehörten ihm an, doch meist waren nur drei bis sieben von ihnen anwesend. In einer Ausnahmesituation – die Republik gerade gegründet und schon von ganz Europa und starken inneren Feinden bedroht – wurden hier die Entscheidungen getroffen, die das Überleben der Revolution sichern sollten. Der Ausschuss meisterte diese Aufgabe, bis er sich selbst, ohne es zu wollen, am 9. Thermidor durch den Sturz Robespierres entmachtete.
Zitate
Die Freiheit muss durch Gewalt begründet werden, und es ist jetzt der Augenblick gekommen, da man den vorübergehenden Despotismus der Freiheit einrichten muss, um den Despotismus der Könige zu vernichten.
Marat über den Wohlfahrtsausschuss, 6. April 1793
Der Konvent allein regiert, und er allein soll regieren. Wir [der Wohlfahrtsausschuss] sind der Vorposten des Konvents; wir sind der Arm, den er handeln lässt, aber wir sind nicht die Regierung.
Barère über den Wohlfahrtsausschuss
Weil ich im Wohlfahrtsausschuss ein Zwölftel seiner Autorität besitze, nennt man mich Diktator.
Robespierre am 10. Januar 1794 im Jakobinerklub
Es musste geschehen, dass die Regierung schlechter wurde, indem sie sich ihrer Mitglieder entblößte. Couthon ist fortwährend abwesend. Prieur de la Marne ist seit acht Monaten abwesend; Saint-André [Jeanbon] ist in Port-la-Montagne, Lindet ist in seinen Büros vergraben, Prieur de la Côte d'Or in den seinigen; ich war bei der Armee, und der Überrest, welcher die Autorität aller ausübte, scheint mir ihre Abwesenheit zu benutzen versucht haben.
Aus dem Manuskript von Saint-Just für seine Rede am 9. Thermidor, die er nicht mehr halten konnte (mit dem Überrest
sind Barère, Billaud, Collot und Carnot gemeint)
Die Kraft der Revolutionsregierung wird durch den Sturz des Tyrannen, der ihre Tätigkeit hemmte, verhundertfacht werden.
Barère am 10. Thermidor (28. Juli 1794). Schon kurz danach wurde beschlossen, ein Viertel der Ausschussmitglieder monatlich neu zu wählen – dadurch wurde die Stabilität der Regierung wesentlich geschwächt.
Fundstellen
Schließlich die führenden Köpfe
: Saint-Just, Couthon und Robespierre, denen die allgemeine Leitung der Politik vorbehalten bleibt.
Pierre Gaxotte: Die Französische Revolution, S. 329 (über den Wohlfahrtsausschuss)
Man muss vorläufig auf das Regieren nach der Verfassung verzichten. Man muss die normalen Rechtsgarantien, die den Staatsbürger schützen, beiseitelassen. Man muss zum Mittel der Notstandsdiktatur greifen. Das alles heißt in der Geschichte Revolutionsregierung
.
François Furet: Die Französische Revolution, S. 287 (über den Wohlfahrtsausschuss)
Das Gesetz vom 14. Frimaire (4. Dezember [1793]) schafft die Organisationsform der Revolutionsregierung. Der Nationalkonvent als das alleinige Zentrum, von dem die Impulse für die Regierung ausgehen
, delegiert an den Sicherheitsausschuss die Leitung der Revolutionskomitees und der politischen Polizei, an den Wohlfahrtsausschuss die gesamte politische und militärische Führung.
François Furet: Die Französische Revolution, S. 313
Der Wohlfahrtsausschuss hielt im Prinzip täglich zwei Sitzungen ab; die erste vor der Eröffnung des Konvents um 10 Uhr morgens, die zweite nach seiner Schließung um 10 Uhr abends. Tatsächlich aber tagte er gewissermaßen in Permanenz. In dem gemeinsamen Saal waren stets einig Mitglieder anwesend, gewöhnlich Barère, Carnot, Collot d'Herbois und Billaud-Varenne. Jedes Mitglied hatte ganz in der Nähe sein gut eingerichtetes Arbeitskabinett und die dazugehörigen Büros mit Beamten. […] Die nächste Umgebung des Wohlfahrtsausschusses stand unter strenger Bewachung. Der Zugang wurde von Artilleristen beschützt, die mit angezündeter Lunte an ihren Kanonen standen. In den Kellergewölben war eine Druckerei untergebracht, die unablässig Berichte, Dekrete und Verordnungen druckte.
Octave Aubry: Die Französische Revolution II, S. 31 (Fn. 1)
Ja, sie sind Tyrannen, aber erst einmal gegen sich selbst, dann gegen die Beamten und Lieferanten und zuallerletzt gegen das Volk.
Friedrich Sieburg: Robespierre, S. 291
Bis zur Morgendämmerung sitzen sie an ihren Pulten und reichen einander ein Stück Brot und einen Hühnerflügel zu. Dann werfen sie sich auf eine auf dem Boden ausgebreitete Matratze, um Seite an Seite ein Stündchen zu ruhen, ehe neue Akten, neue Kuriere, neue Besuche, neue Hilfeschreie, neue Aufträge, neue Pflichten kommen. Wie oft haben sie nicht das verzweifelte: Es geht nicht!
der Verwaltungen mit einem wilden: Es muss gehen!
übertäubt!
Friedrich Sieburg: Robespierre, S. 291
Im Sitzungssaal des Ausschusses kommt es oft zu so heftigen Zusammenstößen, dass die Leute sich im Tuileriengarten unter den Fenstern ansammeln, um die schallenden Stimmen der großen Männer zu hören. Ja, man erwägt ernstlich, ob es aus diesem Grunde nicht besser sei, in eine höher gelegenes Stockwerk überzusiedeln.
Friedrich Sieburg: Robespierre, S. 294
Selten hat die Geschichte eine Vereinigung so großer Persönlichkeiten gesehen wie in diesem Ausschuss, der die Bezeichnung Großer Wohlfahrtsausschuss des Jahres II
erhalten wird und der so erstaunliche, so unähnliche und so schwer miteinander in Einklang zu bringende Männer verband wie Couthon und Billaud-Varenne, Saint-Just und Robert Lindet, Saint André und Collot d'Herbois, Prieur de la Marne und Barère, Robespierre und Carnot.
Jean Massin: Robespierre, S. 275
