Robespierre über das Höchste Wesen

Paris, 8. Juni 1794

Republikanische Franzosen!

Endlich ist er da, der auf ewig glückliche Tag, dem das französische Volk dem Höchsten Wesen weiht: Noch nie hat ihm die Welt, die es erschaffen hat, ein seiner Blicke so würdiges Schauspiel geboten. Es hat auf Erden die Tyrannei, das Verbrechen und den Betrug herrschen sehen; jetzt aber sieht es eine ganze Nation im Kampf mit allen Unterdrückern des Menschengeschlechts, sieht, wie sie ihre heldenhaften Arbeiten unterbricht, um ihr Sinnen und Trachten auf das Höchste Wesen zu richten, das ihm den Auftrag gegeben hat, sie in Angriff zu nehmen, und die Kraft, sie durchzuführen.

Dieses Höchste Wesen hat in die Brust des triumphierenden Unterdrückers ein nagendes Gewissen und den Schrecken eingepflanzt, ins Herz des unterdrückten Unschuldigen aber die Gelassenheit und den Stolz: Es zwingt den rechtschaffenen Menschen, den Bösewicht zu hassen, und den Bösewicht, den recht Denkenden zu achten: Es schmückt die Stirn der Schönheit mit Scham, damit sie noch schöner erblühe; es allein hat der Natur Anmut, Fülle und Größe verliehen: Alles, was gut ist, ist sein Werk oder ist das Höchste Wesen selbst. Das Böse ist dem verderbten Menschen eigen, der seinesgleichen unterdrückt oder unterdrücken lässt.

Republikanische Franzosen! An euch ist es, die Erde zu säubern, die die Tyrannen besudeln, und die Gerechtigkeit auf sie zurückzuholen, die sie von ihr verbannt haben.

Hintergrund: Robespierre hielt die Rede auf einem großen Fest in Paris zur Feier einer neuen Staatsreligion, die den christlichen Glauben ersetzen sollte. Vorher hatte der Konvent die Existenz des Höchsten Wesens und die Unsterblichkeit der Seele anerkannt.

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